Menschenwürde – was hat das mit Coaching zu tun?

Prof. Dr. Silvia Staub-Bernasconi, emeritierte TU-Professorin, ist Leiterin des Master-Studiengangs „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“ am Zentrum für Postgraduale Studien Sozialer Arbeit in Berlin.

Silvia Staub-Bernasconi ist eine Schweizer Sozialarbeitswissenschaftlerin, war 30 Jahre Dozentin an der Schule für Soziale Arbeit in Zürich. 1997 ging sie an die TU nach Berlin, ist heute jedoch als emeritierte Professorin weiterhin vielfältig aktiv. In ihrer Dissertation (1983) legt sie das Fundament einer eigenen Theorie der Sozialen Arbeit, dessen grundlegender Zugang normativ ist und plädiert „für unveräußerliche allgemeingültige Werte und Problemdimensionen, unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Artikulation“ (Miller 1996, S. 52). Mit anderen Worten ausgedrückt, Silvia Staub-Bernasconi distanziert sich in ihrem Prozessual-systemischen Ansatz deutlich vom konstruktivistischen Denken (jeder Mensch konstruiert/schafft sich seine Wirklichkeit, es gibt kein richtig/falsch, gut und böse) und behauptet, dass es Universalwerte gibt, die für alle Menschen auf der Erde gelten, objektive (Metha-)Werte gibt mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

 

Der Beruf des Coachs – Menschenwürde als Grundwert

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ (Art. 1. Abs. 1 Grundgesetz)

 

Menschenwürde als wichtigste Wertentscheidung des Grundgesetzes von Deutschland, die niemanden genommen werden kann, da es sich bei einem Grundrecht um ein natürliches Recht handelt, d.h. um kein Recht, dass vom Staat verliehen wurde, sondern nach der Ordnung des Grundgesetzes dem Menschen durch seine bloße Existenz eigen ist.
Werte, antworten auf die Frage, was mir im Leben oder bei meiner Tätigkeit als Coach wichtig und wertvoll ist. Hier heißt es für das Selbstverständnis eines Coaches „Farbe zu bekennen“ und Entscheidungen zu treffen, um als Coach handeln zu können und eine klare und eben „nicht neutrale“ Haltung einzunehmen. Auf der anderen Seite, haben Coches die Aufgaben, sich in Würde und Respekt vor dem Cochee zurückzunehmen, ihm seine Werte, Träume und Entscheidungen zu lassen, damit er seinen Lebensweg gehen kann. Bringen wir unsere Expertise ins Coaching mit ein, oder uns selbst, dann werten wir ebenfalls. Aus diesem Grunde ist es für einen Coach wichtig, seine Werte zu reflektieren, um in der Praxis Sicherheit zu gewinnen, wo es angebracht ist zu werten, oder sich ggf. zurückzunehmen. Da es in der Sozialen Arbeit, wie auch im Coaching, um menschliche Praxis geht, kann auch die Haltung/ das Selbstverständnis eines Coaches nicht neutral bzw. wertfrei sein. Coaching benötigt deshalb ebenfalls, wie die Soziale Arbeit Universalewerte, die für alle Menschen auf der Erde gelten, unabhängig ihrer Rasse Nationalität, Religion, Geschlecht usw.! Auch im Coaching gibt es deshalb das Gute, Wünschenswerte und das Schlechte, das abzulehnen ist. Coaching ist dem Wert der MENSCHENWÜRDE verpflichtet, dessen Auftrag es ist die Würde zu bewahren, sie ggf. wiederherzustellen. Die Achtung der Menschenwürde gehört zum Selbstverständnis eines Coaches und ist zugleich Prinzip, welches das Handeln des Coaches bestimmen soll. Der Beruf als Coach, als MENSCHENRECHTSPROFESSION (Begriff wurde von Silvia Staub-Bernasconi für die Soziale Arbeit geprägt), der sich vor allem an dem absoluten Wert (Grundwert) „Menschenwürde“ ausrichtet, aus denen sich wiederum konkrete Werte für die Praxis (und Ziele) ableiten lassen und die dann in einen konkreten Raum hinein transportiert werden müssen (to-do-Liste beim Coching). Worin besteht der Wert der Menschen, die menschliche Würde? Was genau soll geschehen, wenn Coaching einsetzt? Diese Fragen beantwortet, bzw. beschreibt der philosophische Begriff „Personalität“, der seinen Ursprung im Wert der Würde des Menschen hat (vgl. Zink 1999, S. 33). Die Philosophen bemessen die Würde des Menschen in der Personalität, d.h. der Mensch kommt als Person auf die Welt und besitzt die Fähigkeit sich zur Persönlichkeit zu entwickeln, der Mensch ist aufgrund seiner Vernunft fähig sich individuell zu entwickeln und zu entfalten. Diesen Weg zur Persönlichkeit nennen die Philosophen Personalität, und ist kein Bestand, sondern ein prozesshaftes Ereignis (vgl. Zink, 1999, S. 34), d.h. sie muss laufend neu erarbeitet werden und kann nicht einmalig erworben werden. Was macht nun Menschenwürde im tiefsten Inneren tatsächlich aus?

 

Als Person kommt der Mensch auf die Welt, zur Persönlichkeit (menschliche Würde) muss er sich entfalten

Die Würde des Menschen, der ein ganzes Leben andauernde Weg zur Persönlichkeit, lässt sich in drei Dimensionen entfalten. Der Mensch ist in dem Maß Persönlichkeit, in dem er die Fähigkeit besitzt selbst Anfänge zu setzen, für andere Menschen einzigartig ist und sich in der Vervollkommnung der Welt beteiligt (vgl. Zink 1994, S. 87). Der Mensch ist das, was er noch werden muss, ist Person und wird in Laufe seines Lebens zur Persönlichkeit, in dem Maß wie er seine Freiheit realisiert, d.h. selbst Anfänge setzt sowohl im Denken als auch im Handeln. Unsere Freiheit und unsere Fähigkeit zu Denken und Urteilen fordern uns, wie Immanuel Kant (1724-1804) in der Zeit der Aufklärung gesagt hat, auf, uns aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu lösen und unabhängig von fremden Einflüssen den Verstand zu gebrauchen (vgl. Zink 1999, S. 34). Der Mensch ist in der Lage selbst Entscheidungen zu treffen und ist so weder von Entscheidungen, die andere Menschen für ihn treffen, noch von Instinkten abhängig. Der Mensch hat die Freiheit zu agieren, ist entkoppelt von Reiz-Reaktionsschema der Natur. Er kann selbst Initiative ergreifen und handeln, und ist in der Lage selbst Zwecke zu entwerfen und im Hinblick auf sie auch Anfänge zu setzen. Die Menschenwürde im Coaching zu fördern bedeutet demzufolge, dem Klienten die uneingeschränkte Freiheit zu lassen, für sich und sein Leben selbst Anfänge zu setzen, Träume zu verwirklichen und seiner Lebenslust nachzugehen. Bereits Aristoteles erwähnte, dass die Selbstzweckhaftigkeit (Initiative ergreifen für das eigene Leben, Träume) des Menschen wichtig ist, um sein „Glück“ zu finden und der Entwicklungspsychologe Piaget beschreibt dies als höchste Form der Intelligenz, dass der Mensch seiner Lust am Leben nachgeht und eigene Ideen/Wünsche und Träume konkret in seinem Leben umsetzt. Der Mensch ist in dem Maß Persönlichkeit, kann seine Menschenwürde entfalten, indem er die Fähigkeit besitzt für Mitmenschen einzigartig und unersetzlich zu werden (vgl. Zink 1994, S. 87). Wir können niemals zur Persönlichkeit in „einsamer Selbstgenügsamkeit“ (Zink 1999, S. 34) reifen, da wir dazu des anderen bedürfen, der uns die „Auszeichnung der Unverwechselbarkeit und Unersetzlichkeit“ erst dann zuspricht, wen es uns ihm gegenüber gelungen ist, hinter unserer gesellschaftlichen Rolle hervorzutreten in die „Unverborgenheit der unmittelbaren Begegnung“ (Zink 1999, ebd.). Die Persönlichkeit des Menschen muss immer wieder neu erworben werden, sich „ereignen“, so dass wir den anderen Menschen als ganzen Menschen antreffen und nicht nur in seiner gesellschaftlichen Rolle. Erst durch eine Beziehung, die aus sich heraus lebt, in der der Mensch spürt, dass er wertgeschätzt, geliebt und geachtet wird, kann er sich zur Persönlichkeit entwickeln. Nach der Handlungstypologie nach Aristoteles sind „Begegnungshandlungen“, personale Beziehungen weder übbar noch herstellbar, sondern stellen sich „anlässlich“ zweckgerichteten, instrumentellen Handelns“ ein (Zink, S. 35). Für das Coaching bedeutet dies, dass der Coach dem Klienten als einzigartiges und unersetzliches Wesen wahr nimmt und offen ist für eine tiefe personelle Begegnung mit dem Klienten und ihm über das Coaching die Möglichkeit gibt, sich in der Welt gegenüber seinen Mitmenschen als einzigartige Persönlichkeit zu offenbaren. Der Mensch ist jedoch nicht nur in dem Maß Persönlichkeit, indem er die Fähigkeit besitzt selbst initiativ zu denken und zu handeln, für andere Menschen wichtig und unersetzlich ist, sondern auch in dem Maß indem er sich an der Vervollkommnung der Welt beteiligt (vgl. Zink 1994, S. 87). Würde des Menschen lässt sich jedoch nur gänzlich entfalten, indem die drei Dimensionen Selbstanfänglichkeit, Einzigartigkeit und Beteiligung an der Vervollkommnung der Welt nicht voneinander losgelöst betrachtet werden. Wird eine Dimension der Persönlichkeit zu wenig in ihrer Entwicklung berücksichtigt oder in ihrer Bedeutung wahrgenommen, dann leidet der ganze Mensch. Person sind wir und zur Persönlichkeit werden wir, weil und in dem Maß wir uns an der Vervollkommnung der Welt beteiligen (vgl. Zink 1999, S. 34). Dass unsere Welt unvollkommen ist, lehrt uns die tägliche Erfahrung mit der Welt aber auch mit uns selbst. Unbestreitbar trägt aber auch jeder von uns die Sehnsucht nach Ganzheit, Vollkommenheit und Heil in sich und möchte Sinn in seinem Tun erfahren. Der Mensch ist als Freiheits-und Vernunftwesen geradezu auf die Gestaltung seiner Welt angelegt (vgl. Zink 1999, S. 34). Der Beruf als Coach hat sich dem Wert verschrieben, dem Coachee dabei zu unterstützen, dass er seinen Lebenssinn in die Tat umsetzen kann, sowohl im Denken (Coching heißt Fragen stellen) als auch im Handlen (to-do-Liste). Quellen: Miller, Tilly 1996: Der prozessual-systemische Ansatz von Silvia Staub-Bernasconi: in: Miller, Tilly/Tatschmurat, Carmen: Soziale Arbeit mit Frauen und Mädchen. Positionsbestimmungen und Handlungsperspektiven. Stuttgart, S. 29-537 Zink, Dionys 1988: Personalität und Solidarität: Grundlagen einer sozialpädagogischen Berufsethik. In: SOZIAL, 39. Jg., Heft 2, S. 3-8 Zink, Dionys 1994: Impulse zur Weiterentwicklung einer sozialpädagogischen Berufsethik: In: DBSH, Heft 3, S. 87-90 Zink, Dionys 1999: Menschen würdig pflegen – Ethischer Anspruch und Chancen zur Realisierung im Spannungsfeld der sozialwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. I: Bayerischer Wohlfahrtsdienst, 51. Jg., Heft 5, Mai, S. 33-37

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